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Badische Zeitung

 vom 21. März 2012

von: Anne Freyer

In die Rollen hineingewachsen

Laienspielgruppe Bollschweil zeigt bei Premiere von "Frau Pilatus" eine eindrucksvolle Leistung.

Gelungene Darstellung: Pontius Pilatus (Markus Weiser) und seine Frau (Daniela Marino).    Foto: Anne Freyer

BOLLSCHWEIL. Zu seiner Zeit war er einer von vielen jüdischen Wanderpredigern: Jesus von Nazaret. Weder er noch seine Zeitgenossen ahnten auch nur entfernt, dass sich auf ihn und seine Leitsätze einmal eine Weltreligion, das Christentum, gründen würde. Was er verkündete, unterschied sich aber so stark von den Aussagen der an jeder Ecke zu findenden Heilsverkünder, dass er dem Vertreter Roms zur Zeit des Kaisers Tiberius auffiel: Pontius Pilatus, als Präfekt und Richter für Recht und Ordnung zuständig. Und als Unruhestifter galt der gut aussehende 32-jährige Jesus durchaus.

Das Stück "Frau Pilatus" setzt zu diesem Zeitpunkt ein und beschäftigt sich mit Jesus und seiner Wirkung auf seine Umgebung. Die einen sind seinem Charisma erlegen, für die anderen ist er ein gefährlicher Aufrührer. Das Pessachfest steht bevor, viele Besucher werden in Jerusalem erwartet, da kann die Obrigkeit keine Unruhestifter gebrauchen. Und was Jesus von sich gibt, ist durchaus dazu angetan – vor allem in den Augen der jüdischen Religionshüter.

Eine "Tragödie der Gerechtigkeit" hat der Autor Willem Putman das Stück genannt, das er 1940 unter dem Pseudonym Jean du Parc geschrieben hat. Eine solche ist es in der Tat, denn Pilatus will nichts anderes als der Gerechtigkeit genügen – und scheitert damit auf der ganzen Linie. Markus Weiser verkörpert diesen Richter als korrekten Beamten, der seine Entscheidungen sorgfältig abwägt und versucht, sich nicht vereinnahmen zu lassen. Eindrucksvoll seine Begegnungen mit den Mitgliedern des jüdischen Hohen Rats (Karl Dischinger, Thomas Wiesler, Manfred Koch und Hans Weiser), stets auf Augenhöhe und von gegenseitigem Respekt geprägt. Sie nennen ihn seinem Rang entsprechend "Exzellenz", ebenso wie der Chef der jüdischen Wache (Daniel Kirchenbauer).

Auch die technische Ausstattung kommt der Aufführung zugute

Vertraulicher ist da schon der Umgang mit seinen römischen Untergebenen (Stefan Wagner und Christoph Sumser), liebevoll-familiär der Ton zwischen ihm und seiner Frau Claudia (Daniela Marino). Sie und ihre Freundin Maria-Magdalena (bewegend: Daniele Gauger) haben diesen Jesus bereits als Ausnahmeerscheinung erkannt, und unter ihrem Einfluss fängt Pilatus an, sich näher mit ihm zu beschäftigen, bis er schließlich ganz von seiner Unschuld überzeugt ist. In der Gewissheit, dass das "Volk" die richtige Wahl treffen wird, lässt er die Menge entscheiden, ob sie Jesus oder lieber den Mörder Barabbas (Peter Loreth) gekreuzigt sehen will. Das Ergebnis ist bekannt.

Die Bollschweiler Laienspielgruppe hat sich mit diesem Stück auf ein ihr bis dahin unbekanntes Terrain begeben – und diese selbstgestellte Aufgabe souverän gemeistert. Die schauspielerischen Leistungen sind durchweg eindrucksvoll: die zentrale Figur des Pontius Pilatus in seinem Bemühen und seinem Scheitern, bewegend die Frauen in ihrem Schmerz und ihrer Ohnmacht, glaubhaft der Hohe Rat in seiner Würde und seinem Ernst ebenso wie die Vertreter der Macht Roms und die Dienerschaft (Jarek Weiser, Walter Schneider, Veronika Schweizer und Gertrud Dischinger). Wohl überlegt und der jeweiligen Figur angemessen: Gesten, Mienenspiel und Timing, ebenso wie die Kostüme (teils selbstkreiert, teils geliehen) und das Bühnenbild.

Auch mit der technischen Ausstattung, die dem Stück sehr zugutekommt, wurden neue Wege beschritten: Emil-Anton Schweizer sorgt punktgenau für Einspielungen (Straßenlärm, Volksgemurmel) und ausgeklügelte Beleuchtung, unterstützt von Benjamin Schwab, Gerda Schweizer als Souffleuse hat nicht viel zu tun, um den Ablauf kümmern sich Claudia Ebner, Regie, und als Inspizientin Eva Sonner. Alle sind während der sorgfältigen Probenarbeit und dank ausführlicher Regieanweisungen vollkommen in ihre Rollen hineingewachsen, dass der Zuschauer keine Mühe hat, sich auf das dramatische Geschehen auf der Bühne einzulassen und die Konflikte nachzuvollziehen, die durchaus auf die Jetztzeit übertragbar und dazu angetan sind, sich mit der Passion als Grundlage der christlichen Religion neu zu beschäftigen.

Weitere Vorstellungen: am 23., 24., 31. März, jeweils 19 Uhr, und am 1. April, 15 Uhr, jeweils in der Möhlinhalle Bollschweil.